Am 13. und 14. Juli haben sich die Delegierten der DGM in Hohenroda zu einer Arbeitssitzung und der eigentlichen Delegiertenversammlung getroffen. Für mich war es das erste Mal, dass ich an einer solchen Veranstaltung teilnehmen durfte. Dies möchte ich zum Anlass nehmen, euch mitzunehmen in diesen „Schmelztiegel“ unseres Vereins. Schmelztiegel? Dazu komme ich weiter unten.
Was ist die Delegiertenversammlung?
Die DGM ist ein großer Verein mit mittlerweile fast 10.000 Mitgliedern, die über ganz Deutschland verteilt sind. Wie organisiert man einen so großen Verein? Die DGM hat sich dafür entschieden, neben einem Bundesvorstand, der die zentralen Aufgaben in unserem Verein wahrnimmt, Landesverbände und Diagnosegruppen einzurichten, die über eigene Gremien organisiert werden.
In unserem Landesverband, der die Bundesländer Bremen und Niedersachsen einschließt, wird die Organisation vom Landesvorstand übernommen. Dieser wird von den Mitgliedern in den beiden Bundesländern alle drei Jahre auf einer Mitgliederversammlung direkt gewählt.
Für den Bundesvorstand hat man aufgrund der großen Anzahl an Mitgliedern ein anderes Modell gewählt. Jeder Landesverband und jede Diagnosegruppe dürfen eine festgelegte Anzahl an Delegierten in die sogenannte Delegiertenversammlung entsenden. Wie viele Delegierte das sind, hängt davon ab, wie viele Mitglieder dem Landesverband oder der Diagnosegruppe zugeordnet sind. In unserem Landesverband gibt es vier Delegierte, die ebenfalls alle drei Jahre auf einer Mitgliederversammlung von den Mitgliedern gewählt werden.
Die Delegierten treffen sich einmal im Jahr, um über die grundlegenden Belange des Vereins zu entscheiden. Sie wählen zum Beispiel den Bundesvorstand und können ihn im Zweifelsfall auch abwählen. Sie lassen sich vom Bundesvorstand Bericht erstatten, die Bilanzen vorlegen und entlasten den Vorstand, wenn sie mit dessen Arbeit einverstanden sind. Damit entbinden sie ihn auch von der Haftung für das abgelaufene Geschäftsjahr. Sie beraten und entscheiden aber auch über Satzungsänderungen, die Höhe der Mitgliedsbeiträge u.s.w.. Die Delegiertenversammlung ist damit das höchste Gremium in unserem Verein, das im Extremfall den Verein sogar auflösen könnte. Da so weitreichende Entscheidungen nicht ohne eingehende Diskussionen getroffen werden können und sollten, ist der eigentlichen Versammlung eine Arbeitssitzung am Vortag vorgeschaltet.
Hart in der Sache
Bei 10.000 Mitgliedern aus allen Ecken der Republik und mit ganz individuellen Erfahrungen und Grundeinstellungen treffen auch sehr unterschiedliche Ideen, Zielvorstellungen, Sorgen und Interessen aufeinander. Das liegt in der Natur der Sache und ist bei den rund 60 Delegierten, die von „ihren“ Mitgliedern gewählt wurden, nicht anders. Auch sie bilden eine bunte Mischung ganz individueller Menschen. Ein wahrer Schmelztiegel eben. Und ich finde, das ist gut so. Klar ist aber auch, dass es nicht einfach ist, in so einem großen und bunten Gremium immer einen guten Konsens zu finden. Da wird intensiv debattiert, emotional argumentiert und manchmal wird es auch ein wenig hitzig. Es wird hart um die gemeinsame Lösung, den gemeinsamen Weg gerungen. Ist das angenehm? Jedenfalls nicht immer, nein. Es ist anstrengend, bisweilen nervenaufreibend und hier und da treten natürlich auch persönliche Befindlichkeiten zum Vorschein. Wir alle sind eben Menschen. Aber ich glaube, es ist ungemein wichtig, genau das auszuhalten. Nur so können wir die vielen verschiedenen Vorstellungen in unserer Gemeinschaft zusammenbringen und möglichst vielen, teils sehr unterschiedlichen Menschen einen Raum im Verein geben. Hart in der Sache, aber am Ende immer miteinander und füreinander. Und so fand ich es dann schön zu beobachten, wie wir nach einem arbeitsreichen Nachmittag mit intensiven und kontroversen Diskussionen am Abend alle lachend und plaudernd zusammengesessen haben.
Demokratie ist anstrengend, bisweilen sehr anstrengend. Aber es lohnt sich, den Argumenten der anderen zuzuhören und um einen stabilen Konsens zu ringen.
Und was ist das Ergebnis?
Auf dieser Delegiertenversammlung standen neben dem Tätigkeits- und Finanzbericht des Bundesvorstands im Wesentlichen zwei konträre Anträge zur Satzungsänderung auf der Tagesordnung. Es ging darum, wie der Bundesvorstand zukünftig gewählt werden soll und wie dabei die Belange der Landesverbände und Diagnosegruppen bestmöglich berücksichtigt werden können. Noch am Samstagnachmittag standen sich die verschiedenen Lager mit ihren Argumenten scheinbar unvereinbar gegenüber und der gemeinsame Weg schien in weiter Ferne. Am Sonntagmittag stand dann ein – wie ich finde – guter und konstruktiver Kompromiss. Wir haben uns auf Eckpunkte geeinigt, die die wesentlichen Belange beider Seiten berücksichtigen. Der Bundesvorstand wurde damit beauftragt, eine Kommission einzurichten, die bis zur nächsten Versammlung diese Eckpunkte weiter ausarbeitet, abgleicht und in einem gemeinsamen Antrag für die kommende Delegiertenversammlung ausformuliert. Die beiden kontroversen Anträge wurden daraufhin zurückgezogen.
Wie ein bunter Strauß Blumen
Auf dem Heimweg habe ich die Anstrengung der beiden Tage schon ein wenig gespürt, aber ich war auch sehr zufrieden, dass es gelungen ist, ausgehend von sehr unterschiedlichen Vorstellungen, wieder auf einen gemeinsamen Weg zu kommen, den am Ende bestenfalls alle unterstützen können. Nur so gelingt es immer wieder, die vielen verschiedenen Kräfte, die in einem so großen Verein wirken, in eine gemeinsame Richtung zu lenken und damit Gutes für uns als muskelkranke Menschen oder als deren Angehörige zu bewirken. Und so wurde das Bild des Schmelztiegels vor meinem geistigen Auge zu einem bunten Blumenstrauß, der gerade durch seine Vielfalt Freude und Mut macht, auch wenn die eine oder andere Blüte laute, schrille Farben haben mag.
Torsten Strutz