Das Lebensende als letzter Akt autonomer Selbstbestimmung

Dritter Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Selbstbestimmt Leben und Sterben“

Am dritten und letzten Abend der Vortragsreihe „Selbstbestimmt Leben und Sterben“ war der Medizinethiker Dr. Gerald Neitzke zu Gast. Er ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ethik, Geschichte und Philosophie der Medizin an der Medizinischen Hochschule Hannover. Darüber hinaus ist er Vorsitzender des Klinischen Ethik-Komitees der MHH, verantwortlich für die Lehre am Institut und Vorstandsmitglied in der Akademie für Ethik in der Medizin e.V. Seine Arbeitsschwerpunkte sind: Medizinethik und Klinische Ethik.

Zu Beginn seines Vortrags erläuterte Dr. Neitzke, was Ethik eigentlich ist und was ein Ethiker macht, um dann auf das Thema Tod und Sterben zu kommen. Am Beispiel von Menschen mit einer ALS-Erkrankung machte er die Ambivalenz und unterschiedlichen Sichtweisen deutlich. Sehr verständlich stellte er die verschiedenen Optionen des Sterbens dar und ordnete die begleitende Sterbehilfe in die Kategorien „geboten“, „erlaubt“ und „verboten“ ein. Wenn ein Patient es z.B. möchte, muss eine Therapie beendet werden, auch wenn Ärzte anderer Meinung sind. Der Patientenwille ist hier maßgebend. Wenn die Beatmung nach dem Willen des Patienten eingestellt werden soll, muss die Maschine, die den Sterbeprozess hinauszögert, abgestellt werden. Auch Herr Dr. Neitzke betonte, dass dabei niemand Angst haben muss, qualvoll zu sterben. Eine gezielte palliative Sedierung kann die Wahrnehmung von Schmerzen und Atemnot lindern. Manche Betroffene entscheiden sich auch für den Freiwilligen Verzicht auf Essen und Trinken (FVET). Dies führt nach Tagen oder Wochen zu einem natürlichen Tod. Der Prozess kann in einem Hospiz oder durch ambulante Palliativpflege begleitet werden.

Davon abzugrenzen ist die aktive Sterbehilfe, die grundsätzlich dazu führt, dass polizeiliche Ermittlungen aufgenommen werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 26. Februar 2020 klargestellt: „Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen. Die Entscheidung des Einzelnen, seinem Leben entsprechend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ein Ende zu setzen, ist im Ausgangspunkt als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren.“ Der Paragraf 217 im Strafgesetzbuch, der die Sterbehilfe regelt, wurde in Karlsruhe für nichtig erklärt. Aus Sicht von Dr. Neitzke ist der gesetzliche Rahmen aber auch ohne diesen Paragrafen eindeutig und ausreichend. Trotzdem wird der Gesetzgeber die Sterbehilfe nun neu regeln und das hoffentlich im Sinne der Betroffenen. Derzeit werden verschiedene Modelle im Bundestag diskutiert.

Ingesamt wieder ein sehr spannender, erkenntnisreicher und gut verständlicher Vortrag. Die Rückmeldungen der Teilnehmenden waren durchweg positiv, bis hin zu einem Dank an die Organisatoren in der Nordachse für diese Vortragsreihe.

Christian Züchner

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