Kleiner Bericht aus meinem Leben
Ich bin Heike, 68 Jahre alt und habe seit ca. 2008 ALS. Heute bin ich überwiegend auf einen Rollstuhl angewiesen.
Mein Mann Wolfgang und ich leben in einem kleinen Ort zwischen Peine und Braunschweig. Wir bewohnen ein über 100 Jahre altes Haus mit recht großem Grundstück.
Meine Hobbys waren bzw. sind Fahrradfahren, Wandern und Urlaub mit dem Wohnwagen (am liebsten am Lago Maggiore in der Schweiz).
Das Fahrradfahren ist mir bis heute geblieben. Nachdem ich nicht mehr mit meinem Mountainbike (sicher) fahren konnte, haben wir 2014 ein Dreirad angeschafft. Nach kurzer Zeit habe ich erkannt, dass auch ein Dreirad fährt und ich wieder unter Leuten sein kann. Das Rad hat natürlich einen E-Antrieb und ließ sich (vom Händler) auf meine Bedürfnisse in Bezug auf Unterstützung einstellen. Es gibt drei Fahrstufen, die ich je nach Fahrsituation wählen kann.
Endlich Frühling – Waldweg bei Fürstenau
Ich hatte mich nicht nur schnell an das Fahren mit dem Dreirad gewöhnt, sondern bemerkte auch einen sehr positiven Einfluss auf meine Beweglichkeit. Ich kann natürlich nichts wirklich messen, aber nach jeder Winterpause merkte ich, wo ich Rückschritte hinnehmen musste. Es kommen die ersten Fahrten im Frühjahr und ich erreiche schnell Verbesserungen beim Treten usw.. Mit Sicherheit hilft es beim Erhalt vieler Muskeln, Lösung von Verspannungen und anderen physischen Gegebenheiten.
Hinzu kommen noch die kleinen Erlebnisse, die meine Psyche positiv beeinflussen. Ich kann das überhaupt nicht alles aufzählen (u.a. Überholvorgänge, Naturerlebnisse und „Ich habe das heute wieder geschafft.“).
Die Touren mit meinem Mann sind dann abhängig vom Wetter und den Temperaturen. Unter 10° Celsius ist nicht wirklich viel möglich.
Wir versuchen auch die kleinen Touren immer mit einem Ziel zu verbinden (Bäcker, Metzgerei, usw.). Bei geeignetem Wetter fahren wir dann zwischen 20 und 30 km.
Wenn meine Tagesform es zulässt, fahren wir auch 60 km am Tag. Dann aber bitte immer mit einem großen Eis 😉.
Um nicht nur in unserer Umgebung zu fahren, gibt es Touren um das Steinhuder Meer, den Edersee, oder z.B. auf dem Brocken. Auf dem Brocken angekommen, gibt es natürlich Eintopf mit Bockwurst. Abschließend die Abfahrt mit bis zu 50 km/h. Der Transport zum jeweiligen Start/Ziel wird durch unseren PKW ermöglicht.
Brocken im Harz (1141 Meter hoch)
Ich hatte eingangs ja schon den Lago Maggiore erwähnt. Dort finden für uns Flachländer immer einige besondere Touren statt. Wobei es in der Region auch besonders schmackhaftes Gelato (Eis) gibt. Da die Temperaturen dort recht hoch sind, worüber meine Muskeln sich jedes Mal freuen, gibt es dementsprechend große Portionen Gelato!!
Bellinzona Gelateria Veneta
Fahrten in die Seitentäler sind auch immer auf dem Programm.
Das Vezascatal mit der 220 m hohen Sperrmauer und einem der wohl schönsten Flüsse in den Alpen ist schon sicher. Am Ziel in Sonogno ist schließlich immer der Verzehr von Minestrone oder einem Tessiner Teller im Grotto Efra geplant. Und danach eine 30 km lange Abfahrt zum Campingplatz am Lago. Weitgehend abseits vom Verkehr fahren wir nebenbei gern nach Mergosscia.
Mergoscia – Verzasca Stausee u. Lago Maggiore
Bis vor wenigen Jahren hat es häufig Abfahrten vom Nufenenpass 2478 m ü.d.M. zum Lago gegeben. Das sind 100 km überwiegend bergab.
Ich hoffe, dass ich zum Abschluss hier etwas Mut verbreiten kann. Wir wissen alle, dass uns eine unheilbringende Krankheit erwischt hat. Dennoch glaube ich, dass durch unseren Umgang mit der Krankheit und meinem Dreirad das Leben nicht nur unschöne Seiten hat. Ich bin überzeugt, dass meine Mobilität ansonsten noch schneller zurückgegangen wäre.
Ascona
Kopf hoch! Liebe Grüße, eure Heike
P.S.: Das Rad ist von der Firma VanRam aus den Niederlanden und heißt Easy Rider Dreirad