ALS-Gesprächskreis Bad Sooden-Allendorf online am 28.02.25
Auf diese Formel könnte man den Inhalt des Vortrags von Frau Dr. N. Sasse (Psychologische Psychotherapeutin an der Klinik Hoher Meißner) bringen. Die Referentin führte in ihrem Vortrag „Wie kann ein Umgang mit der Diagnose ALS gelingen?“ aus, wie Betroffene, ihre Angehörigen und Freunde mit dem Erhalt einer schlimmen Nachricht umgehen können.
Laut Forschungsergebnissen machen alle, die die Diagnose einer chronischen oder lebensbedrohlichen Erkrankung erhalten folgende vier Phasen durch:
- Schock begleitet von Verleugnung und Abwehr
- Emotionale Überwältigung gekennzeichnet von Wut, Traurigkeit, Enttäuschung, Ohnmacht und Einbruch des Selbstwertgefühls
- Handeln und Verhandeln durch Suche nach Informationen und Auseinandersetzung mit Behandlungsmöglichkeiten
- Akzeptanz im Sinne von Realität annehmen, Anpassung des Alltags sowie dem Ziel: Leben mit/ trotz der Erkrankung
Einen besonderen Schwerpunkt legte Frau Dr. Sasse auf die Ausgestaltung der vierten Phase der Akzeptanz. Diese bedeute nicht, die ALS „gut zu finden“, sondern die Krankheit zu respektieren, d.h. als einen neuen Bestandteil des eigenen Lebens zu betrachten. Damit beginne die Krankheitsverarbeitung (in der Psychologie Coping genannt). Dabei verliefen gleichzeitig mehrere Prozesse:
- Problemorientiertes Coping durch Gebrauch von Hilfsmitteln und Annahme von persönlicher Assistenz (z. B. Pflegedienst), Anpassung der Wohnung, event. des Arbeitsplatzes und des Autos sowie Einplanung von Pausen, Schonung und Therapien.
- Emotionsorientiertes Coping, das auf die Gefühle und Gedanken zielt in Form von Ablenkung und Trauerarbeit, bevorzugte Nahrung auch unter erschwerten Bedingungen weiter zu genießen und die Gedanken bewusst zu steuern z. B. durch positive Selbstgespräche („Ich schaffe das! Ich wachse da rein!).
- Bewertungsorientiertes Coping, indem jede (neueintretende) Situation bewertet und als Herausforderung betrachtet wird.
Alle drei Coping-Formen dienen dazu, die ALS zwar ins Leben zu integrieren, aber nicht zum alles bestimmenden Faktor werden zu lassen. So könnte es gelingen, eine angepasste Lebensqualität zu erhalten und Zeit mit Angehörigen und Freunden zu verbringen, ohne dass die Erkrankung dabei immer im Mittelpunkt des Geschehens steht.
Als Abschluss ihres Referats*) gab Frau Dr. Sasse allen Anwesenden noch eine Faustregel an die Hand: „Mindestens einmal am Tag eine angenehme Aktivität!“
Im Namen der Online-Runde dankten die Gesprächsleitende, Ingrid Haberland, und Dr. Schröter (Klinik Hoher Meißner) der Referentin für ihre interessanten und hilfreichen Ausführungen.
Im anschließenden Austausch unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ging es um Informationen zu einem neuen Verfahren der Barmer Ersatzkasse bei der Bewilligung und Lieferung von Hilfsmitteln für ALS-Betroffene. Außerdem tauschte man sich aus über Wartungsprobleme bei Rollstühlen, die Betreuungsmöglichkeiten bei Reha- Aufenthalten und die Forschung zu Therapien.
Die Intensität und die Qualität der ausgetauschten Informationen zeigte, wie weit die Teilnehmenden schon dem „Ja zum Leben“ auf der Spur sind.
Ulrich Germar
*) Das Referat kann als pdf- Dokument bei Ingrid Haberland und U. Germar angefordert werden.
