Diese Frage haben sich wohl viele der knapp 30 Teilnehmenden am Ende der letzten Videokonferenz des ALS- Gesprächskreises Region Hannover gestellt. Denn im Zentrum der Veranstaltung stand ein Vortrag zum Thema „Genetik und ALS“ von Prof. Dr. Jochen Weishaupt (Chefarzt der Neurologie der Universitätsmedizin Mannheim Sektion Neurodegeneration). Er führte in seinem auch für medizinische Laien sehr gut verständlichen Beitrag unter anderem aus, …
- dass 5 (-10) % aller ALS-Patienten eine familiäre Vorbelastung hätten.
- dass bei ALS meist eine autosomal-dominante Vererbung (50%-Risiko für 1.-gradig Verwandte) vorläge.
- dass bei familiärer ALS die genetische Panel-Testung (= Testung aller häufigeren ALS-Gene) empfohlen werde.
- dass die Testung von Gesunden aus ALS-Familien (prädiktive Testung) an eine besondere Beratungspflicht und die Weiterbildung des beratenden Neurologen gebunden sei.
- dass ca. 90% der ALS „sporadisch“ aufträte, d.h. nur einer in der Familie ist betroffen. Als Grund seien manchmal genetische Ursachen zu finden.
- dass es hinsichtlich der Testung bei sporadischer ALS Pro und Contra-Argumente gäbe. Die Meinung sich eher Pro Testung verschöbe.
- dass durch eine Testung herausgefunden werden könne, welches der bisher bekannten ca. 30 ALS auslösenden Gene bei der betroffenen Person für die Erkrankung verantwortlich sei.
- dass die Erkrankung durch eine Mutation in einem der drei am häufigsten ALS auslösenden Gene (C9orf72, SOD1 und FUS) entstünde. Dadurch träte eine Fehlfunktion auf in Form von fehlerhafter RNA- Verarbeitung oder fehlerhaftem Proteintransport oder fehlerhaftem Protein-„Recycling“. Bezüglich der genannten Gene eröffne diese Erkenntnis die Chance auf eine Gentherapie.
- dass Therapien, welche die Aktivität der erkrankten Gene verändern, präzisere Therapieansätze für manche Patienten böten, wohinter die Idee der „personalisierten Medizin“ stünde ähnlich wie bei Krebstherapien.
- dass es erste vielversprechende Ergebnisse hinsichtlich Tofersen (Medikament bei SOD1-Mutation) gäbe und ähnliche Ansätze für weitere Gene (C9ORF72, FUS, XPO1) in der klinischen Erprobung seien.
Nachdem der Referent noch ausführlich auf Fragen aus dem Teilnehmerkreis geantwortet hatte, dankte Ingrid Haberland als Leiterin des Gesprächskreises Prof. Dr. Weishaupt für seinen Beitrag und stellte abschließend fest, dass sich erfreulicherweise nach nunmehr 30 Jahren durch die Genforschung neue Therapieansätze ergeben hätten.
Ob die laufenden und geplanten Studien mit die Genaktivität verändernden Medikamenten zu deren Einführung führen werden, bleibt allerdings abzuwarten. Ebenso, ob schon von einem Hoffnungsschimmer gesprochen werden darf.
Ulrich Germar